Heute spricht man im Web ganz selbstverständlich von der “Free lunch”-Mentalität, wenn man davon spricht, dass im Internet scheinbar vieles umsonst ist. Aber nur wenige wissen, woher der Ausspruch “There ain’t no such thing as a free lunch” kommt. Die Redewendung geht auf das Amerika des 19. Jahrhunderts zurück. In vielen Bars wurde kostenloses Mittagessen angeboten, um potenziell durstige Kunden anzulocken und einen Anreiz für den Verkauf von Getränken zu schaffen (Anekdoten dazu können in Rudyard Kiplings Buch “American Notes” nachgelesen werden). Eigentlich das Ur-Modell von heutigen “Freemium”-Angeboten.
Vielen Unternehmen, besonder Buch- und Musikverlagen macht die Gratis-Mentalität der User schon seit einigen Jahren zu schaffen. Aber scheinbar wollen die Nutzer nicht nur free lunch – sondern durchaus auch kostenpflichtige Inhalte genießen. Der Erfolg der New York Times hat viele deutsche Verlage beflügelt. Jetzt vermeldet auch der Springer-Verlag aus Berlin erste Erfolge im Paid Content-Bereich.
Benutzerfreundlicher Einkaufsprozess und personalisierte Angebote verführen zum Kauf
Thomas Böxler führt die Ursachen der Gratis-Mentalität in seinem Buch “Paid Content im Web 2.0: Strategien und Erfolgsfaktoren für Printverlage” auf “die anfänglich nicht kommerzielle Ausrichtung des Internets und das kostenlose Angebot von Inhalten” zurück. Böxler stellt in seiner Untersuchung fest, dass “besonders für den redaktionellen Content der Verlage [...] im Internet nur eine sehr geringe Zahlungsbereitschaft vorhanden” sei, “da sehr zahlreiche Free Content Anbieter existieren”. Allerdings gebe es durchaus Lösungen aus diesem Dilemma, wie Böxler weiter ausführt: “Durch einen benutzerfreundlichen Einkaufsprozess und ein ubiquitäres Angebot” schaffen es Unternehmen, “eine Korrektur der Gratismentalität [...] und einen Mehrwert gegenüber der illegalen Beschaffung” zu erreichen.
Mit kurzfristigen Anpassungen des Produktangebotes ist es nicht getan. Es erfordert nicht weniger als ein grundlegendes Überdenken von Publishing-Geschäftsmodellen. New York Times-Geschäftsführer Mark Thompson beschreibt die Anpassung für das Magazin wie folgt:
“It means catapulting the Grey Lady into a world very different from the one in which she spent her first century and a half: multimedia, multi-platform, multi pretty much everything.”
Die Erneuerung digitaler Geschäftsmodelle zahlt sich aus
Die Verjüngung der “grauen Dame” hat sich voll ausgezahlt, wie Mark Thompson auf einer Rede an der Columbia Business School ausführte:
“In fact the launch of the pay model is the most important and most successful business decision made by The New York Times in many years. We have around 700,000 paid digital subscribers across the company’s products so far and a new nine-figure revenue-stream which is still growing.”
Eine ähnliche Erfahrung machen – etwas zeitversetzt – nun deutsche Verlage. Einige haben sich komplett neu erfunden, so zum Beispiel Haufe Lexware, die heute mehr E-Business Unternehmen als Verlag sind. Bei Axel Springer verzeichnet das Paid Content-Modell ebenfalls erste Erfolge: Nach einem knappen halben Jahr nutzen über 200.000 Abonennten die kostenpflichtigen Angebote der BILD-Zeitung. Von Geiz ist geil also keine Spur. Nach Springer-Geschäftsführerin Donata Hopfen sei der Verlag sehr optimistisch, “den eingeschlagenen Weg für bezahlte journalistische Angebote im Internet weiterzugehen”.